Pausenlos
Zeitmanagement
Das Post-Magazin wird von mir immer wieder gerne gelesen. Der Titel "Rund um die Uhr" klingt vielversprechend und ich blättere... bis zu diesem Text:
Es ist noch nicht lange her, da gingen wir um 17 Uhr von der Arbeit nach Hause oder nutzten die knappe Zeit bis zum Ladenschluss um 18.30 Uhr, um Einkäufe zu erledigen. Wer auswärts etwas Warmes essen wollte, musste bis spätestens 21 Uhr bestellen, danach war die Küche zu, die «letzte Runde» in der Beiz gab es allerspätestens um Mitternacht. Und am Sonntag stand alles still. Das Leben war überschaubar. Meist arbeiteten wir am selben Ort, an dem wir auch lebten; die Frauen blieben mehrheitlich zu Hause bei den Kindern, der Alltag war geregelt. Und dann, irgendwann in den 1990er-Jahren, begann sich unsere Welt zu beschleunigen. Seither entwickeln wir uns zunehmend zu einer «Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft». «Ein grossstädtisches Phänomen erobert die Schweiz», schreibt Anna Schindler im Jahr 2013, die Direktorin der Stadtentwicklung Zürich. «Das Leben kommt nicht mehr zur Ruhe – wir sind 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr aktiv.
Die Textpassage lässt mich sinnieren. Es ist noch nicht lange her, als ich über Lärm nachdachte. Den Lärm im Allgemeinen, Strassenlärm, Baulärm, Fluglärm ... den Lärmpegel insgesamt. Und ich versuchte zu vergleichen mit früher. Meiner Kindheit in Grenchen und den damaligen Verkehrsgeräuschen, welche strikte an gewisse Zeiten gebunden waren. Dazwischen - wenn alle am Arbeiten waren - gab es fast keinen Autolärm. Und am Samstag, wenn um 16 Uhr die Läden schlossen, war Grenchen nachher "ausgestorben". So schien es mir jedenfalls, so ist es mir in Erinnerung geblieben.
Am Samstag kurz nach 16 Uhr begann quasi das "wirkliche" Wochenende. Man ruhte. Und die neue Woche bagenn erst wieder am Montagmorgen. Was mir damals manchmal elendiglich langweilig und trist vorkam, blieb als Idealzustand in meiner Erinnerung hängen. Die Familie war zuhause - man machte Spiele oder schaute ausnahmsweise fern, wenn Trickfilme oder eine der seltenen Serien angesagt waren. Ja, der Sonntag war einer der Tage, an dem das Fernsehprogramm nicht erst um 16 Uhr begann - wow! Kann man sich das heute noch vorstellen?
Ein einziges Tea-Room hatte geöffnet. Wenn man unverhofft irgendwo eingeladen war, konnte man dort ein paar "Stückli" holen und diese zum Kaffee mitbringen. Ein Festschmaus!
Und heute? Je länger je mehr bleiben die Geschäfte länger geöffnet. Tankstellenshops sowieso. Wenn die Gewerbevereine weiterhin Druck machen und die Ladenöffnungszeiten immer und immer wieder zur Abstimmung bringen, werden auch die Geschäfte irgend einmal 24h geöffnet haben. Verkaufen tut deswegen niemand wirklich grössere Mengen - eher steigen die Kosten und der Nutzen bleibt definitiv fraglich.
Weit krasser finde ich die Auswirkungen auf das Leben. Die 24/7 Mentalität generiert ein Leben ohne Stopps. Ein Ablauf ohne Pausen - und oft auch ohne ein wirkliches Nachdenken. Logo, ich war auch schon in Tankstellenshops und habe einen Kübel Glace gekauft, wenn ich zuhause "fast vergluschtet" bin und einfach "unbedingt" Glace haben musste. Und wetten: Als Heimwerker würde ich sicher auch um 23 Uhr in den Hornbach fahren - sofern er geöffnet hätte, wenn ich spezielle Schrauben brauchen würde.
Aber ist es nötig?
Reicht es nicht auch, wenn ich die Schrauben tags darauf hole? Wenn ich halt mal auf die Glace verzichte?
Die langsame aber stetige Aushöhlung des Sonntags finde ich nicht gut. Noch vor 20 Jahren waren keine Car-Washs geöffnet am Sonntag. War man auf dem Berg und der Wagen war unglaublich dreckig, dann konnte man diesen erst am Montagmorgen reinigen. Heute sind die Car-Wash auch am Sonntag mit einer Selbstverständlichkeit geöffnet, die mich manchmal staunen lässt. Genau: Und auch ich habe schon am Sonntag den Wagen gereinigt: Es war ja geöffnet!
Es liegt also definitiv an uns, wieviel wir in dieser Hinsicht mitmachen und uns von der Konsum-Lobby die freien und ruhigen Tage nehmen lassen. Vom ausgebeuteten Personal will ich mal gar nicht erst anfangen...
https://www.post.ch/post-startseite/post-konzern/post-publikationen/post-privatkundenmagazin/post-magazin-april-2015.pdf